Sind analoge Aufnahmen legal?

Begonnen von k.busch, Oktober 21, 2005, 16:04:50

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k.busch

Wir sind selbst Hersteller einer Software (audioBase) , die unter anderem auch Staytunes aufnehmen kann. Der Sachverhalt legaler Aufnahmen lässt sich nur vor dem historischen Hintergrund bewerten.

Früher, als es noch keine CDs gab, wurde Musik noch mit einem Tonband oder Rekorder aus dem Radio aufgenommen. Das war recht mühsam - aber es war legal. Zumal mit der Einführung der Rundfunkgebühren von den Hören GEZahlt wurde. Und die Industrie hat mitverdient - für unbespielte Medien wurde eine Pauschalabgabe erhoben. Dies hat sich bis heute auch nicht geändert.
Jede Kopie einer Aufnahme war mit qualitativen Verlusten behaftet. Folglich haben viele Hörer dann letztlich doch Schallplatten oder Kassetten gekauft. Die Industrie hat somit doppelt verdient: zum einem an der Pauschalangabe und an der Bereitschaft des Kaufs von Originalen.

Heute übertragen Radiosender immer häufiger ihr Programm in CD Qualität. Der Rekorder hat ausgedient - aufgenommen wird heute in bester CD Qualität. Verschiedene Endgeräte als auch der PC machen dies problemlos möglich.
Mit einer entsprechenden Software (wie z.B. aomrecord oder audioBase) muss auch nicht mehr der Start oder Stopp Knopf gedrückt werden. Der Schnitt erfolgt dank integrierter Pausenerkennungen automatisch. Jede Kopie einer Aufnahme ist ein Original. Das stört die Musikindustrie! Sie möchte zwar weiterhin an der Pauschalabgabe verdienen - aber nichts dafür geben und am liebsten alle Aufnahmen als illegale Handlungen verbieten und Musikfreunde kriminalisieren.

Es kann also historisch belegt werden, dass Radioprogramme entweder durch Rundfunkgebühren oder durch Werbeeinnahmen finanziert wurden. Auf jeden Fall haben Sie als Hörer in irgendeiner Weise dafür bezahlt.
Die Aufzeichnung eines Radioprogramms wurde von der Musikindustrie geduldet - als Ausgleich erhielt sie einen Ausgleich in Form der Abgaben auf Datenträger (CD, DVD Rohlinge...), Endgeräten (Audio Rekorder, CD-DVD Brenner...) usw..
Sie haben also längst für das bezahlt, was Sie mit aomrecord oder audioBase machen können - vorausgesetzt Sie zeichnen ein Radioprogramm für die eigene Nutzung auf.

Aber was ist ein Radioprogramm?
Nehmen wir Staytuned©. Auf der einen Seite tritt es nach außen hin als Radio auf. Dafür spricht auch der Umstand, dass Sie redaktionell erstellte Radioprogramme aus den Radiochannels aufrufen können, z.B. 90's Charts.
Auf der anderen Seite können Sie gezielt nach Alben und Songs suchen und sich so Ihre eigenen Radioprogramme (z.B. in Form von Playlisten) erstellen.
Ansonsten folgen Sie der historischen Tradition - Sie müssen für diesen Dienst bezahlen.
Folglich dürfen Sie die Sendungen auch aufzeichnen: Sie umgehen keine technischen Maßnahmen (weder aom noch audioBase führen einen Download durch, "knacken" einen Kopierschutz oder ähnliches). Für den Privatgebrauch dürfte auch eine unerlaubte Vervielfältigung nicht anwendbar sein. Der §9 Urheber - und Copyright Hinweise findet in diesem Fall folglich keine Anwendung. Ob Sie für die Aufzeichnung einer Sendung ein Mikrofon vor Ihren Boxen halten, an dem Analogausgang Ihrer Soundkarte einen Kassettenrekorder oder ein anderes Gerät anschließen oder direkt über den Analogausgang Ihrer Soundkarte im Computer aufnehmen dürfte hier ohne Belang sein.

Rechtsgrundlagen:
§9. Urheber - und Copyright Hinweise
Auch die Staytuned Aussage: "Urheberechtlich ist eine Privatkopie nur möglich, wenn Sie dafür eine legale Vorlage benutzen, das heißt, dass Sie sich zuvor eine CD gekauft haben...." ist abwegig. Dies würde bedeuten, dass auch in der Vergangenheit jede Radioaufnahme den Kauf eines Tonträgers vorausgesetzt hätte - dies war und ist nachweislich nicht so.
87c UrhG
1) Die Vervielfältigung eines nach Art oder Umfang wesentlichen Teils einer Datenbank ist zulässig
1. zum privaten Gebrauch; dies gilt nicht für eine Datenbank, deren Elemente
einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel zugänglich sind
Ausführungen zum § 87c UrhG
Datenbank im Sinne dieses Gesetzes ist eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. Eine in ihrem Inhalt nach Art oder Umfang wesentlich geänderte Datenbank gilt als neue Datenbank, sofern die Änderung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert.

Auch diese Bestimmung greift nicht, da Sie ja nicht die Datenbank vervielfältigen, sondern lediglich eine datenbankgestützte Hilfe für die Zusammenstellung Ihrer persönlichen Wunschmusik nutzen. Als Ergebnis hören Sie Musik. Die Datenbank als solches wird weder kopiert, vervielfältig oder in sonstiger Weise in Umlauf gebracht.


Aber selbst wenn von einer Datenbank ausgegangen wird greift der § 87e UrhG
Eine vertragliche Vereinbarung, durch die sich der Eigentümer eines mit Zustimmung des Datenbankherstellers durch Veräußerung in Verkehr gebrachten Vervielfältigungsstücks der Datenbank, der in sonstiger Weise zu dessen Gebrauch Berechtigte oder derjenige, dem eine Datenbank aufgrund eines mit dem Datenbankhersteller oder eines mit dessen Zustimmung mit einem Dritten geschlossenen Vertrags zugänglich gemacht wird, gegenüber dem Datenbankhersteller verpflichtet, die Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe von nach Art und Umfang unwesentlichen Teilen der Datenbank zu unterlassen, ist insoweit unwirksam, als diese Handlungen weder einer normalen Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen noch die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers unzumutbar beeinträchtigen.


Fazit
Dass es die Musikindustrie gerne anders hätte, bedeutet nicht, dass geltendes und traditionell gewachsenes Recht keine Anwendung mehr findet. Sie haben (im Falle von Staytuned) einen Vertrag geschlossen (und dafür bezahlt) das Sie mit Hilfe der Datenbank Dienste ausführen können (z.B. Radio hören). Das Aufnehmen wird seit Jahrzehnten über Geräteabgaben von jedem einzelnen Konsumenten finanziert und ist historisch legalisiert - egal was der Vertragsgeber (in diesem Falle Staytuned) in seinen AGB führt.
Allerdings geht es hier nicht um Datenbanken; vielmehr ist die die offenkundige Intention, bis dato legale Aufnahmen mit fadenscheinigen und an den Haaren herbeigezogenen Argumenten zu verhindern
Solange eine analoge Aufnahme (und nicht anderes machen aom und audioBase) nicht per Gesetz verboten ist, muss zwangsläufig von der Rechtmäßigkeit ausgegangen werden, An diesem Zustand werden auch Abmahnungen an Softwarehersteller nichts ändern.

Sven Schmidts

Das wird ja ein allgemeines Anbietertreffen im Eurocomp-Forum; da schließen wir (concept/design GmbH) uns mal an 8)

Als wir vor einigen Jahren onlineTV herausgebracht haben, war an eine Aufnahmesoftware in diesem Sinne noch nicht zu denken. Wir haben damals viel mit der GEZ und diversen anderen, staatlichen "Firmen" telefoniert. Das OK für die Audio-Aufnahme haben wir bekommen, aus genau den Gründen, wie k.busch geschrieben hat. Selbstverständlich ist eine Aufnahme des Tons völlig legal; basierend auf dem Gewohnheitsrecht kann der Gesetzgeber dies zumindest in absehbarer Zeit nicht unterbinden, zumal durch die letzten Gesetzesänderungen kein User erahnen kann, welche Lieder wann gespielt werden. Die Möglichkeit, Bezahldienste wie Staytuned aufzuzeichnen, wurde selbstverständlich durch unsere Rechtsabteilung bzw. die unserer Partner geprüft. Leider konnte nicht 100% geklärt werden, ob dies nun ok ist oder ob nicht ; schließlich "kauft" der User nur das Recht, das gekaufte Lied x mal abzuspielen bzw. zu hören und nicht, es aufzuzeichnen (Stichwort: DRM). Daher findet ein User diese Funktionen bei uns nicht, auch nicht in neueren Produkten wie z.B. Hit-Recorder.

Leider beschneidet der Gesetzgeber bzw. die MI die Kreativität immens: So hatten wir ursprünglich eine Tauschbörse für aufgenommene Lieder enthalten, was aber leider gecancelt werden mußte. Heute kommt Podcast, was vom Prinzip her ähnliches erlaubt. Wo der genaue Unterschied in der Praxis zwischen dem Tauschen von Audio-Aufnahmen und dem Tauschen von "selbst gesprochenem" liegt, versteht wohl niemand so recht.

Sei es wie es ist: Dank Gewohnheitsrecht wird die Audio-Aufnahme zumindest noch sehr lange Zeit legitim bzw. eine Grauzone bleiben. Auch wenn die MI schon an den Änderungen arbeitet ...

Trainz01

Hallo, auch die Plattenfirmen haben eingesehen, daß Sie gegen ein Kopierverbot nicht ankommen. Sony BMG will ab dem nächsten Jahr, durch
einen anderen Kopierschutz als den, den sie fuer die USA nehmen, das Kopieren von bis zu fuenf Kopien erlauben. Das müßte reichen, hat ein
hochranginger Mitarbeiter gesagt. Hartmut